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    Der 5-Jahres-Plan: 96,6

    Lesezeit: ca. 6 Minuten

    „Wo sehen Sie sich in 5 Jahren?“

    Was für eine Frage. Die Antworten darauf sind doch häufig gleich und meistens völlig inhaltslos.

    Ich glaube auch nicht, dass man mit dieser Frage wirklich mal jemanden hinterm Ofen vor lockt und etwas Kreatives oder Überraschendes zu hören bekommt.

    Und dann gleich 5 Jahre – ich bin ja nicht mal sicher, was ich heute Abend essen möchte.

    5 Jahre zurück.

    Meine Antwort auf die Frage wäre im Januar 2017 vermutlich gewesen: „Nächste Frage bitte.“

    Und bitte nicht die Frage, wie viele Tischtennisbälle wohl in eine Telefonzelle passen. Solche Fragen sind viel weniger witzig oder ausgefuchst, als die Fragenden glauben.

    Jetzt, 2021, fast 5 Jahre später, lautet meine Antwort: „Bei 96,6%.“

    Ich laufe und laufe und völlig unbemerkt wurde daraus ein 5-Jahresplan. Jeder Karrierecoach wäre stolz auf mich.

    Nachdem ich von 2016 bis 2017 gerade einen 12-monatigen und schweren CED-Schub durchlebt hab, startete ich im Januar direkt mit neuen Plänen, Medikamenten und Zielen.

    5 Monate. 17 Kilometer.

    2016 gab es Monate, in denen ich keinen einzigen Kilometer gelaufen bin. Im Februar und Mai war ich komplett abgemeldet. Nichts ging mehr. Erst rückblickend wurde mir klar, wie sehr mich die Colitis da weggeknallt hat. Während eines Schubs merke ich das tatsächlich gar nicht so sehr, da es ganz unverdächtig und langsam immer schlechter und schlechter wird. Detaillierte Aufzeichnungen der ganzen Läufe sind da übrigens schon ganz aufschlussreich, um das eigene Befinden mal objektiv und unverfälscht beurteilen zu können. Es ist halt manchmal auch ganz praktisch, ein Zahlenfreak zu sein.

    „Humor und Geduld sind zwei Kamele, mit denen Du durch jede Wüste kommst.“ – Arabisches Sprichwort

    Durch die Einschränkungen während eines Schubs werde ich immer wieder ein ganzes Stück zurückgeworfen. Ich kann in einem Schub zum Beispiel viel seltener raus zum Laufen. Alles leidet – die Distanzen, die Pace, die Zeit der Erholung ist länger.

    Immer weiter.

    Was mich immer weiter trägt, ist meine Motivation. Eigentlich ist es das Beste, was einem passieren kann. Aber wenn der Körper grad nicht so kann, wie der Kopf möchte, ist’s manchmal auch frustrierend. Aber ich weiß, dass es auch wieder besser wird. Und dann geht’s weiter.

    Es geht immer weiter und nach jedem Down kommt ein neues Up. Die Ausdauer kommt dann doch immer schneller zurück, als ich vermute. Übrigens jedes Mal. In und nach jedem Schub denke ich ‚Jetzt brauchste mindestens 6 Monate, um wieder auf dem alten Stand zu sein.‘

    Und jedes Mal, wenn ich dann zwei, drei Mal laufen war, geht’s wieder fast wie von selbst.

    Vielleicht springt da die Motivation ein, vielleicht auch die Freude, endlich wieder quasi „gesund“ zu sein. Oder vielleicht ja auch beides.

    Einfach mal froh sein.

    Ich denke darüber aber auch nicht allzu viel nach. Ich finde, solche Gedanken bringen einem nicht viel, da es eben keine Antwort gibt. Und man auch nicht alles komplett zerdenken muss.

    Ich finde, alles immer durch zu analysieren, klaut einen so großen Teil davon, sich einfach spontan und ohne Absichten auf etwas einzulassen oder über etwas freuen zu können.

    Ist doch egal, warum etwas schön ist. Die Hauptsache, DASS etwas schön ist, reicht doch vollkommen.

    Manchmal kommt es mir so vor, als würden Menschen alles genau analysieren, um bei Bedarf und quasi auf Abruf schöne Momente reproduzieren zu können. Eine Kiste Glück auf Vorrat. Dabei muss man sich für echte Freude nur mal auf etwas einlassen.

    Kostet nichts und tut nicht weh. Einfach mal den Kopf ausschalten, ausprobieren und zack: Freude.

    Der völlig unbemerkte 5-Jahres-Plan.

    Ach ja, da ist ja noch der ominöse Plan. Alles begann ganz harmlos.

    2017 war ich wieder auf den Beinen und dachte, dass es für das Jahr ein gutes Ziel sein könnte, jeden Monat mindestens 100km zu laufen. Ein Klassiker. Das ist nicht zu viel und nicht zu wenig, also ein gutes Mittelmaß.

    Aus dem Ziel von 1.200km wurden am Ende 1.500km.

    Im März 2017 fand auch die allererste Veranstaltung statt, an der ich teilnehmen wollte, es war also auch direkt eine gute Vorbereitung.

    Den Begriff „Wettkampf“ mag ich irgendwie nicht. Er klingt viel zu wenig nach Spaß und hauptsächlich nach Arbeit (und häufig auch Angeberei).

    Man trainiert so begeistert und gut man kann, um seine Ziele zu erreichen und Läufe zu finishen. Nicht mehr und nicht weniger. Da braucht’s doch gar kein Gepose, wenn man davon erzählt.

    Bis dahin war ich eigentlich nicht so der Freund von Events mit riesigen Menschenmengen und 10.000 Leuten auf einem Fleck.

    So fiel meine Entscheidung, mich für den Syltlauf im März anzumelden, dann auch aus einer Laune heraus. Und aus meiner besonderen Verbindung zur Insel. Freunde leben dort und ich habe viele schöne Erinnerungen und persönliche Erlebnisse, die ich mit diesem Ort verbinde.

    Die Monate vergingen und wie von allein war ich fest im Rhythmus. Gleichzeitig hab ich angefangen, akribisch wie ich bin, genau zu notieren, wie und wo ich gelaufen bin.

    2018 dachte ich, dass es eine gute Idee wäre, die 1.500km aus dem Vorjahr zu toppen. Es wurden 1.800. Das ging dann so weiter. Passte gut.

    2019 Aller guten Dinge sind 3.

    Dieses Jahr war mein bisher bestes Jahr, denn ich war die ersten 9 Monate topfit und gesund. In diese Zeit fiel auch mein bisher bester Monat ever.

    Ich bin (wie schon beim Syltlauf) in diesem Jahr relativ spontan meinen ersten Marathon gelaufen – den 3-Talsperren-Marathon durchs Erzgebirge. Ich wollte einfach mal wissen, ob mir ein Marathon Spaß macht.

    Das Ergebnis: Es macht schon Spaß.

    Das dritte Jahr die monatlichen 100km zu halten, war eine gute Motivation, dran zu bleiben, auch als ich im Oktober in einen neuen Schub schlitterte.

    2020 war ich krank. Das ganze Jahr. Ich bin trotzdem laufen gegangen, immer so häufig, weit oder schnell, wie mein Körper es zugelassen hat.

    Die 100er-Serie hat gehalten.

    2021 Das gleiche Spiel. Mein letzter CED-Schub dauerte insgesamt 2 volle Jahre und ist erst seit wenigen Wochen überstanden.

    I am the count and I love to count.

    Anfang diesen Jahres dachte ich, dass ich die 50 100er-Monate vollmachen kann. Ist ne schöne runde Zahl. Und 48 hatte ich ja schon. Dann vielleicht 55. Ist halt ne Schnapszahl. Da war es dann Juli und wie man an meinen Zahlen im Vergleich zu anderen Monaten sehen kann, war ich den ganzen Sommer wirklich krank.

    Manch einer mag jetzt denken „Also krank sieht für mich anders aus.“ : Ohren gespitzt – Link folgen – besser verstehen.

    Ab Juli war mir klar, dass ich das fünfte 100er-Jahr abschließen werde. Fünf fühlt sich gut an. Wie ein wirklich guter Abschluss.

    Und hätte man mich damals gefragt „Wo sehen Sie sich in 5 Jahren?“, dann wäre meine Antwort vermutlich nicht gewesen „Genau hier. Bei 96,6%.“

    Es ist einfach so passiert. Manche Dinge muss man einfach passieren lassen, damit etwas entsteht, das uns begeistert.

    (Update: Mittlerweile hab ich schon mindestens ein Mal kurz darüber nachgedacht, bis zum verflixten 7. Jahr weiter zu machen.)

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