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    Every Single Street | Buxtehude | 3rd & Goal

    Lesezeit: ca. 7 Minuten

    Das war’s. Rien ne va plus. Oder wie der Norddeutsche sagen würde: Riang neywa plü.

    Der letzte Plan ist geschrieben und die letzte Route gelaufen. Wie es war? Kalt, dunkel und dreckig. Meistens. Aber auch absolut fantastisch. Und es hat einfach richtig Bock gebracht.

    Ich hab viele unerwartete Situationen erlebt und eine ganz besondere Bekanntschaft gemacht. Ach ja, ich hab’s zuvor ja schon gespoilert:

    Ich hab ne Straße vergessen.

    Next Level Shit.

    Seit dem letzten Mal geht es gefühlt Schlag auf Schlag. 55… 79… 87%. Die weißen Flecken auf der Karte werden immer kleiner und mittlerweile ist mein letzter Gedanke vorm Einschlafen häufig in irgend ner Karte vertieft. Es passiert sogar ein paar Mal, dass ich davon träume. Next Level. Das ist selbst für mich neu.

    In Wohngebieten ist der Fortschritt natürlich immer direkt riesig. Da liegt halt alles dicht beieinander. Dafür ist die richtige Navigation dort allerdings auch wesentlich schwieriger. Und wenn’s durch die wirklich einsamem Gegenden geht, siehste in 18 Kilometern gefühlt nur 5 Straßen, läufst dafür aber kilometerweit easy in eine Richtung.

    Ich hab mal überlegt, was ich eigentlich lieber mag. Und ich glaub: Beides. Es sind einfach ganz unterschiedliche Dinge. Und durch das eine merke ich, wie sehr mir auch das andere gefällt.

    Draußen nur Kännchen.

    Nach jedem Run sitze ich am nächsten Tag ganz gemütlich mit nem Kaffee am Küchenfenster. Becher, kein Kännchen. Ich gehe mein langes Verzeichnis durch, hake alle gelaufenen Straßen ab und rechne aus, wie viel Prozent noch übrig sind. Bei sowas kommt ja immer direkt der Zahlenfreak in mir durch.

    Das Ganze auch auf Papier zu machen, hat fast schon etwas Meditatives. Das Gefühl, mipm Radiergummi meine Bleistiftnotizen upzudaten, der Geruch vom Filzstift oder das Rascheln beim Sortieren der Blätter. Überall um mich herum liegen die Seiten ausgebreitet und häufig hab ich dabei Gesellschaft vom Katzl.

    Durch die Verbindung mit anderen Straßenläufern in Deutschland und der Welt, merke ich, dass jeder dabei sein ganz eigenes System hat. Aber irgendwie sind sich scheinbar dann doch alle ziemlich ähnlich.

    Es gibt da draußen noch so viele andere fantastische Runner. Zum Beispiel Niklas, der Aachen unter die Schuhe genommen hat.

    Oder Gerd. Sein Revier: Herne im Ruhrpott. Die beiden nehmen einen mit, auf ihren eindrucksvollen Wegen durch ihre Städte.

    Zurück zum Statistikgedöns: Es ist wirklich interessant, für einen bestimmten Zeitraum mal ganz genau über alles mögliche Buch zu führen. Wann schaut man sich sonst schon mal so richtig im Detail an, wann man wo und unter welchen Umständen unterwegs war.

    Auf die Spitze treibt es da aber eindeutig Brandin LeBlanc aus Houston. Er trackt wirklich ALLES! Schuhe, Klamotten und das Wetter, aber auch so etwas wie Re-run-Miles oder bei wie viel Prozent der Runs er allein, mit der Familie oder auch Freunden gelaufen ist. Oder mein absoluter Alltime-Favorite: Hundebegegnungen. Ein geiler Typ in einer großartigen Community. Ich freu mich immer, etwas Neues von ihm zu hören. Checkt auf jeden Fall mal seine Seite. Am besten gleich hier.

    Time to wonder.

    Das ist es, was mir am besten gefällt, wenn ich durch die Straßen, einsamen Landschaften und Städte laufe – die ganzen Bekanntschaften, die ich mache. Es freut mich (nicht ganz überraschend) immer besonders, wenn ich irgendwo ne Katze entdecke. Ab und zu sind die Begegnungen aber auch echt n bisschen skurril.

    Als ich eine meiner drei Touren in Neukloster laufe, treffe ich im Wohngebiet eine Frau bestimmt vier oder fünf Mal. Jedes Mal in einer anderen Straße. Als wir uns zum letzten Mal begegnen und grüßen, müssen wir beide lachen.

    Im Estetal gibt es etwas übrigens was ganz Besonderes. Auf meinem Weg nach Daensen entdecke ich auf der Brücke über den Fluss ein Periskop. Es führt direkt nach unten in die Este. Man kann gut sehen, wie kalt es ist, als ich dort bin. Natürlich probiere ich es aus, allerdings ohne Erfolg. Ich bin einfach zur falschen Zeit dort. Winterfrost ist halt nicht so beliebt bei den Flussbewohnern. Aber ich komm im Sommer bestimmt nochmal wieder.

    Eine der für mich bemerkenswertesten Begegnungen, ist allerdings die mit einem Eisvogel. Ich habe zuvor noch nie einen in echt gesehen – finde sie aber schon immer ganz besonders. Und dann, ich laufe im Norden von Buxtehude durchs Vogelschutzgebiet im Moor, taucht an meiner rechten Seite plötzlich ein Eisvogel auf. Er fliegt dicht über einem Bach neben mir und begleitet mich eine ganze Weile. So wie Libellen das manchmal tun. Und so schnell er gekommen ist, ist er auch wieder verschwunden.

    The lost one.

    Eine Straße auf dieser Liste liegt (wie ich später entdecke) ganz im Norden. Es ist die Weide. Da gibt es genau eine einzige Adresse. Ich mach mir hinter Straßen, die außerhalb liegen, sogar extra eine kleine, handschriftliche Notiz. Daensen, Moor, Ketzendorf, usw. Eigentlich n sicheres System. Wenigstens so lange man nicht, vermutlich ein dutzend Mal, über die Notiz drüberliest.

    Unauffälliger geht’s echt kaum

    Auch hinter der vergessenen Straße ist eine Notiz. Ich sehe den Straßennamen jedes Mal beim Abhaken. Und jedes Mal denke ich, sie liegt irgendwo anders und plane jede Route unbemerkt drumrum. Ein Mal bin ich tatsächlich, ohne es zu wissen, sogar nur rund 500 Meter entfernt auf ner anderen Route unterwegs.

    Ich lasse mich direkt an der Weide absetzen und laufe anschließend durchs Moor nach Immenbeck. 17½ Kilometer. Als ich starte, erwartet mich nach wenigen Schritten als Erstes dieses Schild hier.

    Zum Glück mag ich alle Hunde

    Ich treffe den Bewohner des einzigen Hauses dort und wir unterhalten uns einen Moment. Ich erzähle ihm von meinem Projekt und sofort muss er laut lachen. Er hat nichts dagegen, dass ich die geplante Runde über seinen Bauernhof laufe. Und so ist auch hinter dieser Straße, die mir fast zum Verhängnis werden sollte, ein Haken.

    Zahlen, Menschen, Abenteuer.

    Zeit fürn paar Zahlen zum Schluss: Ich bin in Buxtehude 24 Mal gelaufen. Dabei hab ich insgesamt genau 384 Kilometer zurückgelegt. Das ist n Schnitt von 16 Kilometern. Bei jedem Run konnte ich hinter rund 20 Straßen n Haken machen.

    Es ging 3.747 Meter nach oben – genauso hoch, als wäre ich den Mount Columbia in Kanada hoch gerannt. Ich hab für alle 495 Straßen in Buxtehude insgesamt 77 Tage gebraucht. Ein bisschen schneller als Phileas Fogg. Dafür hab ich, im Gegensatz zu ihm, einmal n Ticket bekommen, während ich on the road war. Parkscheibe vergessen. Ballon 1:0 Ich.

    Ein kleines Extra für Zahlenspinner: Die Entfernung zwischen Buxtehude und Eibenstock (dort bin ich meinen ersten Marathon gelaufen) beträgt ebenfalls 384 Kilometer. Zufall? Schicksal? Aliens? Tja, das bleibt wohl für immer ein Geheimnis.

    Zufall? Schicksal? Aliens?

    Die perfekte Mitte.

    Die vorletzte Strecke mag ich bei meinen Projekten ja immer am liebsten. Es ist die perfekte Mitte zwischen Das Ding ist im Sack und Willkommen im Finale. Ich bin maximal entspannt unterwegs und es ist völlig egal, ob es regnet, stürmt oder schneit. Es ist ein Gefühl, als wenn alles im Gleichgewicht ist

    Mein Finale ist 15 Kilometer lang und führt mich noch einmal quer durch Buxtehude. Das Wetter ist so richtig norddeutsch. Ungemütlich und schmuddelig. Ich schließe alle Lücken auf der großen Karte und bin auf dem Weg zur allerletzten Straße. Sie führt mich durch den Wald. Sonne, Sturm und ein Wolkenbruch wechseln sich die letzte halbe Stunde ab. Mittlerweile bin ich eingesaut bis zu den Knien. Noch 2 Kilometer. Da kommt die letzte Kurve, rechts rum. Ein letzter Anstieg. Geradeaus.

    Und dann ist es geschafft.

    Mission accomplished

    Every Single Street Buxtehude hat wirklich Bock gebracht. Es hatte alles: Sonne, Regen und fiesen Sturm, Schnee und Schlamm, in dem ich bis zum Knöchel steckte. Ich war in eisiger und totaler Dunkelheit unterwegs, bin über Zäune geklettert und hab viele, völlig unerwartete und überraschende Begegnungen gemacht. Es war voller einmaliger Erlebnisse.

    Und hey, was kann man denn mehr wollen?

    2 Comments

    • Claudia

      1. Februar 2023 at 8:47

      Hallo Mario, hab dich gerade im Hamburger Abendblatt (von gestern, 31.1.) entdeckt und mir deine Webseite angeschaut. Laufen ist zwar nicht „mein Ding“ (eher Walken, Tanzen und so), aber ich finde toll, was und wie du es machst. Selber sitze ich seit einem Jahr wegen einer Tumorerkrankung zuhause und mache von Tag 1 an wie du aus jedem Tag das Bestmögliche, trotz Fatigue und Co. Nun folge ich dir auf FB und YT. Bin gespannt, was du noch so erläufst 🙂 Mit zuversichtlichen Grüßen 🙂 Claudia aus Buxtehude (Eilendorf)

      Antworten
      • Mario

        1. Februar 2023 at 12:53

        Hallo Claudia,

        es freut mich, dass dir gefällt, was ich mache. Und da du aus Eilendorf kommst, bin ich ja vermutlich auch schon einmal direkt bei dir vorbeigelaufen.
        Nach dem, was du schreibst, hat das Leben dich ja auch volle Breitseite erwischt.
        Ich wünsche dir, dass es dir hoffentlich sobald wie möglich besser geht – und dass du dir die Fähigkeit, das Beste aus den Tagen zu machen bewahrst.

        Viele Grüße,
        Mario

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