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    Every Single Street | Buxtehude | 4 95

    Lesezeit: ca. 7 Minuten

    Klingt nach einem Angebot, das ich nicht ausschlagen kann. Deal. Die Anzahl der Straßen in Buxtehude habe ich mittlerweile herausgefunden. Es sind: 495. Plus 1.

    Denn es gibt eine Straße, die möglicherweise eine ist, vielleicht aber auch nicht. Sie taucht in einer Liste der Stadt auf, aber ist in keinem Stadtplan zu finden. Wie ein Geist. Und vielleicht gibt es auch dazu eine alte Geschichte, die ich einfach noch nicht kenne.

    Das Chinese-Postman-Problem.

    Oder: Welche ist die kürzeste Route?

    Die Anzahl der Straßen in Buxtehude ist geringer als in Stade – es sind 176 weniger. Allerdings ist es von der Planung schon n bisschen figelinscher, da ich ja nicht mal eben aus der Haustür gehen und loslaufen kann, wenn ich irgendwo etwas vergessen sollte (Spoiler: Ich hab ne Straße vergessen).

    Genau hier gibt’s mehr interessante Infos und Hintergründe zum Briefträgerproblem.

    Ich verbringe also gefühlt wirklich die Hälfte der Zeit meines Projekts damit, Karten zu studieren, Satellitenbilder von allen möglichen Orten anzuschauen und die kürzesten Wege von A über B nach C zu finden. Aber da ich so etwas wirklich gern mache, ist es ein tatsächlich schöner Teil meines Straßenprojekts.

    Durch diese Art der Vor- und Nachbereitung, sind mir viele Dinge übrigens überhaupt erst aufgefallen. Sachen links und rechts der Strecke, an denen ich sonst ganz sicher einfach vorbei gerannt wäre. Ich versuche immer, einen echten Tunnelblick zu vermeiden. Ein Fokus ist gut, ein Tunnel selten.

    Bühne frei.

    Meine Recherchen geben mir die Möglichkeit, auch in Buxtehude ein bisschen hinter die Kulissen der Stadt zu blicken. Warum haben die Straßen der Stadt denn genau die Namen, die sie haben? Besonders interessant finde ich dabei das Neubaugebiet am Stadtrand an der Giselbertstraße.

    Das Viertel selbst wirkt auf mich (bisher), vor allen anderen Dingen: seelenlos. Wie so viele neue Neubaugebiete. Eine Aneinanderreihung von immer gleichen, riesigen Häusern, die allesamt wie eine dunkle Festung wirken und jedes Leben fernzuhalten scheinen.

    Titel: Zuversicht (1818)

    Aber: In eben diesem Viertel sind alle Straßen nach Personen benannt, die in irgendeiner Weise Ihre Spuren in Buxtehude hinterlassen haben. Und nicht wie üblich nach nem Tier oder nem Baum. Bei den Namensgebenden waren einige wirklich interessante Menschen dabei.

    Besonders hervor zu heben ist meiner Meinung nach aber Nina Zober. Sie starb 2010 viel zu früh mit 37 Jahren. Aber sie hat in dieser Zeit mehr Zuversicht und Freude in die Welt gebracht, als viele Menschen es in 100 Jahren könnten. Sie hat Buxtehude mit echtem Leben gefüllt. Und vielleicht passiert das ja irgendwann auch an diesem Ort, der nun ihren Namen trägt.

    Es gibt auch eine Straße, die bei der ersten Tour durchs Neubaugebiet noch gesperrt – und eigentlich auch noch gar keine richtige Straße ist. Nur die Skelette der Neubauten links und rechts. Es ist die Elise-Fischer-Straße.

    Hier wird unmissverständlich klar gemacht: Stopp. Baustelle. Überall stehen Schilder und hohe Zäune. Dieses Mal klettere ich aber nicht drüber, sondern warte geduldig. Und komme einige Wochen später erneut vorbei. Der Zaun der Baustelle ist für die Baufahrzeuge geöffnet. Ich nutze die Gelegenheit und laufe mit einem Lächeln die fehlenden 120 Meter. Elise Fischer: Check.

    On the road again.

    Es bringt so Bock, wieder on the road zu sein. Seit ich in Buxtehude laufe, war ich nur 2 Mal in Stade unterwegs. Every Single Street hat sich also fast unbemerkt wieder verselbstständigt. Das plane ich nie und doch passiert es immer wieder. Sachen entwickeln eine ganz eigene Dynamik und Energie. Und ich lass mich einfach auf der Welle treiben.

    Mal für Mal laufe ich die Stadtviertel ab. Jede Woche ein paar Strecken. Neukloster, den Norden und Dammhausen, Altkloster und die geschichtsträchtige Innenstadt. Dieses Mal dokumentiere ich jede Route mit 3 Fotos. So entsteht Stück für Stück eine immer größer werdende Sammlung an Dingen, die mir auffallen, Stimmungen und Tieren, die mir begegnen.

    Und Woche für Woche laufe ich mehr in den Winter hinein. Es wird früher dunkel und immer häufiger bin ich bei Frost und in völliger Dunkelheit unterwegs. Zu laufen mit meiner Karte in der Hand und ner Stirnlampe am Kopf ist nochmal ne ganz neue Erfahrung. Um mich herum ist es stockdunkel und das einzige Licht bin ich selbst. Es ist absolut friedlich.

    Interview mit einem Vampir Redakteur.

    Zur Hälfte meines Projekts treffe ich mich erneut mit Tim Scholz vom Stader Tageblatt. Dieses Mal in Buxtehude. Passt ja. Und das Tageblatt hat auch dort ne Dependance. Wir schlendern durch die Stadt, während um uns herum der Weihnachtsmarkt aufgebaut wird und unterhalten uns in der Redaktion am Fleth.

    Foto: T. Scholz/ Stader Tageblatt

    Ich erzähle ihm, wie es dazu kam, dass ich im Grunde von jetzt auf gleich in Buxtehude gestartet bin, was ich bisher erlebt und welche für mich besonderen Orte ich mir bereits angeschaut habe. Ich bin auf seinen Artikel gespannt. Es gefällt mir, wie er schreibt. Nach unserem Treffen geht’s für mich direkt los. 17 Kilometer. Es ist windig und kalt.

    Für mich persönlich stehe bei dem Artikel auch gar nicht ich selbst so sehr im Mittelpunkt. Ich bin halt der, der die Straßen läuft. Vielmehr geht es mir darum zu zeigen, dass man tun sollte, was einem Spaß macht. Nicht in einem oder fünf Jahren, sondern am besten genau jetzt.

    Und es geht um die Menschen, die mich (in welcher Weise auch immer) unterstützen. Denn oft unbemerkt stehen einem Menschen zur Seite, ohne dass man etwas davon merkt. Da ist zum Beispiel T., die mich zu den Startpunkten meiner Touren mitnimmt oder an den hintersten Ecken von Buxtehude wieder abholt. Freunde, die mir ihr Auto leihen, damit ich wieder nach Haus komme und nicht im Nirgendwo strande.

    Foto: T. Scholz/ Stader Tageblatt

    Oder Topo, die mir völlig uneigennützig geholfen haben, meinen Blog auf die Beine zu stellen. Einfach weil ihnen gefällt, was ich mache. Denn ich bin kein Hochglanz-Fake-Fitness-Influencer. Ich hab eine echte Geschichte zu erzählen – mit Ecken und Kanten. Ich bin ich – hab rund 200 250 Follower bei Insta und im Moment ist mein liebster Content Waschbären.

    Vielen Dank an Euch alle.

    Der Geist.

    Der vom Anfang. Der bleibt ein Geist. Ich konnte bisher leider nichts zu der mysteriösen kleinen Bonus-Straße heraus finden, außer eben diese eine Erwähnung in einer alten Satzung. Es ist der Schmökerstieg und vermutlich hat die Straße irgendwann einfach ihren Namen verloren.

    Die Geschichte dahinter macht mich aber schon neugierig. Vielleicht mache ich mich danach ja irgendwann mal auf die Suche.

    Fast unsichtbar

    Ach ja, meine CED. Der Grund, warum ich diesen Blog damals gestartet hab. Die war 2022 auch wie ein Geist und hat ganz ruhig bei mir im Hinterkopf geschlummert. Klar, ich war zwischendurch auch mal angezählt. Jedoch ist es nie gekippt und meine Medikamente wirken scheinbar genau so, wie sie sollen.

    Ich hab mir übrigens überlegt, dass es eigentlich nur fair wäre, wenn die Remission jedes Mal mindestens so lange dauert, wie der Krankheitsschub zuvor. So als Faustregel. Ich sollte demnach also noch ein weiteres Jahr gesund bleiben. Klingt doch gut, find ich.

    Das dürfen sie nicht! (eine Rückschau)

    Meine liebste Situation bisher: In Dammhausen ruft mir aus dem Nichts plötzlich ein vermeintlich überbesorgter Bürger hinterher, ich solle gefälligst stehen bleiben. In einer öffentlichen Seitenstraße. Vermutlich, weil er mich dort noch nie zuvor gesehen hat. Man kennt ja seine Pappenheimer.

    Er ruft mit ansteigender Lautstärke ein zweites Mal, dann ein drittes, viertes und brüllt mit einer sich fast überschlagenden Stimme ein fünftes Mal. Ich sehe ihn hinter mir bereits seine imaginäre Mistgabel schwingen. Mittlerweile muss ich wirklich lachen, laufe unbeeindruckt weiter und denk so bei mir Mach dich locker: Nicht jeder will dir etwas wegnehmen. Auf der Empörungsskala gibt es dafür von mir eine solide 7/10.

    Ich hab lose geplant, alle Straßen von Buxtehude in ungefähr 24 Routen zu laufen. Vermutlich sind es insgesamt rund 400 Kilometer. Zu Beginn, die ersten drei oder vier Strecken, wirken solche Projekte immer ein bisschen so, als ob man niemals damit fertig werden würde. Aber dann läuft es. Wie von allein.

    Und ich bin richtig on fire.

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