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    Every Single Street | Altes Land

    Lesezeit: ca. 10 Minuten

    Es ist Herbst. Gefühlt hat der Sommer hier im Norden aber schon die letzten paar (offiziellen) Wochen meiner Lieblingsjahreszeit Pause gemacht. Jetzt erlebt der Sommer aber gerade ein wenigstens kleines Comeback. Und was hab ich so gemacht?

    Natürlich nicht nur Däumchen gedreht. Ich war für ein Side-Project on the road. Wer bei Insta mitliest, konnte schon ein bisschen dabei sein – ich durchstreife das Hinterland und alle seine versteckten Ecken und Geschichten.

    Bin krank. Hab Straßenfieber.

    Das Alte Land kennen ja viele Menschen in Deutschland, sogar die ausm Süden. Die meisten davon wahrscheinlich durch die Kirschblüte. Es reisen auch jedes Jahr wirklich viele Leute von überall an, um sich das Ganze anzuschauen.

    Sie fahren dann mit gefühlt 25km/h durch die kleinen Orte zwischen Stade und Hamburg und sind anscheinend ganz angetan von ‚der weißen Blütenpracht‘ (O-Ton Urlauber). Am besten fährt man einfach ganz easy genauso langsam hinterher. Entschleunigung durch Kirschblüten-Seeing

    (zugegeben: es ist allerdings auch echt praktisch, wenn man zentnerweise Äpfel, Kirschen, Birnen und Erdbeeren quasi direkt vor der eigenen Haustür hat)

    Eindeutig Straßenfieber

    Aber ich bin ja nicht wegen der Kirschbäume hier, sondern um wirklich alle kleinen Ortschaften im Alten Land bis in den letzten Winkel kennenzulernen. Da gibt’s tatsächlich ne ganze Menge und jeder Ort hat so seine ganz eigenen Besonderheiten. Ein paar Mal bin ich im Laufe der Jahre zuvor schon (nur so zum Spaß) längere Touren an der Elbe bis Grünendeich entlang gelaufen und habe dabei von Allem ein bisschen gesehen. Vermutlich waren aber immernoch 99% unerschlossen.

    Klar, dass mein Interesse da sofort geweckt ist. Und da mein Buxtehuder Finish ja schon ein paar Monate zurück liegt, laufe ich einfach weiter. Und weiter und weiter. Die Diagnose ist da eindeutig: Straßenfieber.

    Höhe x Breite = weit.

    Bis man im Osten irgendwann ganz offiziell in Hamburg angekommen ist (wo meine Reise [erstmal] endet), dauert es wirklich eine ganze Weile. Die Strecke mit dem Auto, bis man von Stade aus in Cranz ankommt, sind über 25 Kilometer. Und dann gibt es natürlich viele Straßen, die parallel in beide Richtungen laufen, die Nord-Süd-Verbindungen bis nach Buxtehude runter und natürlich die Ortschaften selbst.

    Spaß mit Straßen

    Eine Menge Kilometer also und somit ein super Projekt für den Sommer. Zwischen den vielen kleinen Ortschaften gibt es, auch wenn es sich Auswärtige oft genau anders vorstellen, relativ wenig zu sehen.

    Lange Landstraßen, Feldwege, Bäche, Gräben und oft auch einfach nichts. Norddeutschland halt.

    Die Apfelbäume sind leider auch nicht so groß und ausladend, wie man vermuten könnte, sondern eher unscheinbar, schmal und auf Ertrag getrimmt (ein Foto erspare ich uns hier).

    Die Elbe übrigens sieht man dagegen eigentlich nie. Ist auf der anderen Seite vom Deich. Dabei finde ich es besonders schön, am Wasser zu laufen. Das hat was Ruhiges und Weites. Als könnte man einfach immer weiter laufen. Aber so laufe ich eben auf meiner Seite – ans Wasser geht’s danach auf Sylt.

    Geistesblitz: Was ich natürlich mal als Projekt starten könnte, wäre die Elbe runter zu laufen. Beziehungsweise hoch. Denn die Quelle ist ja im Riesengebirge in Tschechien und die Mündung hier in der Nordsee. Wär bestimmt ne schöne Tour.

    First Stop: Horneburg.

    Mein Routenplanungsmodus ist auf jeden Fall direkt reaktiviert. Und ruckzuck liegt hier n Stapel Zettel und es geht los. Eine gute Planung ist der halbe Erfolg und so starte ich fröhlich ins Projekt Every-Single-Street | Altes Land.

    Hornborg

    Meine erste Station ist Horneburg. Ist zwar nicht direkt das Alte Land, aber die Verbindung ausm Süden dorthin. Zum Einstieg gibt’s von Allem etwas: alte Viertel, Felder, einen Gutshof und ein Neubaugebiet. Achja, zufällig steht auch das Tor zum Sportplatz offen. Die Chance hab ich natürlich sofort genutzt und ne Runde auf der Bahn gedreht.

    14,14 Kilometer weit, 241 Meter hoch, 22°C. Kein so schlechter Start.

    Insgesamt bin ich 3x in Horneburg unterwegs. 14, 15 und 16 Kilometer – plus noch ein paar Kilometer von früher. Was ich vorher nicht vermutet hätte: Horneburg geht ganz schön bergauf. Fast 750 Höhenmeter sind es am Ende. Aber wenn ich meine Route im Kopf hab, merke ich davon eigentlich gar nicht so viel (außerdem laufe ich tatsächlich auch wirklich gern bergauf).

    Mein Vorbild

    Horneburg ist n guter Einstieg zurück ins Game. Mein Entspannungslevel: Katze

    Überall Kirchen.

    Und zwar Steinkirchen, Mittelnkirchen und Neuenkirchen. Ok, das war jetzt echt mal richtig schlecht, aber wie es sich gehört, steht natürlich in jedem Ort tatsächlich auch ne Kirche. Die meisten sind richtig schön. Wirklich schlecht ging es den Altländern vermutlich nie (auch wenn sie gern mal das Gegenteil behaupten).

    Die drei Orte von oben kenn ich übrigens auch (fast) nur vom durchfahren. Aber auch hier gilt: Es lohnt sich definitv, da einfach mal auf Entdeckungstour zu gehen. Und wieder sammle ich ganz nebenbei jede Menge Höhenmeter. Wir brauchen hier bei uns eben gar keine extra Berge – son Deich erfüllt da 100% seinen Zweck.

    Deich. Reicht.

    Von Lauf zu Lauf schließe ich an vielen verschiedenen Ecken kleine Lücken. Und ich kann sagen, dass das echt schon auch n schönes Gefühl ist. Wie ein großes Puzzle (so ungefähr 10.000 Teile vermutlich), dass man in vielen Wochen, Stück für Stück, immer ein bisschen mehr fertig bekommt.

    Von Jork nach Estebrügge.

    Die Wege werden länger Richtung Osten. Und etwas undankbarer, weil sie nun ab und zu an der Hauptstraße entlang führen. Jork selbst ist mit seiner langen Geschichte und seinen besonderen Häusern und Höfen wirklich hübsch anzuschauen. Deswegen isses auch bei Touristen total beliebt. Im Sommer kannste keinen Stein werfen, ohne dabei aus Versehen nen Touristen zu treffen.

    Estebrügge und auf der anderen Flussseite Moorende gehören offiziell auch noch zu Jork. Und sie sind der Teil, den ich am längsten vor mir herschiebe – warum das so ist, weiß ich eigentlich auch nicht so genau. Nach unten schließe ich dabei die Lücke nach Buxtehude, nach oben geht’s schon langsam Richtung Hamburg.

    Allerdings lerne ich (wie fast überall) auch hier wieder etwas dazu. In Moorende zum Beispiel steht die Esteburg – ein über 400 Jahre altes und wirklich beeindruckendes, ehemaliges Herrenhaus.

    Bei meinem Ausflug werfe natürlich nen Blick drauf. Und wie so oft kann ich sagen: Ich würd sogar nochmal wiederkommen.

    Kurz mal auf Pause.

    Ich laufe dem Ende entgegen. Klingt immer son bisschen dramatisch, als läge ich in den letzten Zügen. Dabei ist’s im Moment glücklicherweise genau das Gegenteil. Zwischendurch erwähne ich gern mal, dass ich grad fast so etwas wie gesund bin.

    Ich erinnere mich immer mal wieder selbst daran, dass das nicht mein Für-Immer-Zustand ist. Und das ist auch ok. Ich weiß die gute Zeit im Moment wirklich zu schätzen. Das Leben verläuft eben nicht linear, sondern in Wellen. Es ist alles – aber nie langweilig.

    Man kommt bei sowas glaub ich gern mal in den Rhythmus, zu glauben, dass alles normal sei. So als wenn du Kopfschmerzen hast und dir irgendwann zufällig und eher nebenbei auffällt, dass sie eigentlich schon ne ganze Weile vorbei sind.

    Ich weiß natürlich auch, dass eine gesunde Phase (vermutlich) nie für immer andauern wird. Dass ich irgendwann wieder völlig zerstört zu Hause sitze, aus dem Fenster schaue und mich an genau die Momente erinnere, die ich jetzt grad erlebe. Aber dafür gibt es diese Momente ja – um zu wissen, worauf ich mich nächstes Mal wieder freuen kann.

    Moin Hamburg.

    Cranz. Mit C. Genau hier überquere ich die Grenze zu Hamburg. Das hätte ich vor nun fast 10 Jahren, als ich mit dem Laufen begonnen hab, wirklich nicht gedacht. In einigen Monaten hab ich tatsächlich großes Laufjubiläum. Und ich kann sagen, dass ich bisher wirklich sauviel erlebt hab.

    Ein nettes Erlebnis in Cranz ist die Komplettsperrung der Hauptstraße nach Hamburg rein. Also für Autos. Ich nutze die Chance und laufe mutterseelenallein an einem Sonntag auf der sonst durchgehend überfüllten (und jetzt teilweise abgetragenen) Straße. Wunderbar. Solche Sachen mag ich besonders.

    Ach ja, ich komme auf meiner Route auch über’s Alte Estesperrwerk. Das hab ich im Vorfeld online genau gecheckt – nicht, dass das nur zu bestimmen Zeiten geöffnet ist. Oder einfach auch nie, wie das Sperrwerk in Stade. Aber alles geht glatt, ich lauf drüber und von dort aus runter nach Seehof. Auch dort sammle ich jede Straße ein und laufe fröhlich und beschwingt in Richtung Westen zurück nach Estebrügge.

    Das letzte Puzzleteil.

    Die letzte Strecke bei einem Projekt zu laufen ist immer ein bisschen merkwürdig. Einerseits ist’s natürlich cool, das Ding im Sack zu haben. Andererseits ist auch immer ein bisschen Wehmut dabei. Ich stehe komplett hinter den Dingen, die ich tue, verbringe Wochen (wie hier) oder Monate (wie in Stade) damit und gehe in dieser Zeit ganz darin auf. Es dann abzuschließen ist so, als gibt man etwas Liebgewonnenes aus der Hand.

    Das Finale von Every Single Street | Altes Land ist ein Gemeinschaftsprojekt. Meine letzte Route und die allerletzten Straßen überhaupt führen mich an diesem Tag von Seehof nach Osten über Rübke bis nach Moorende. 14 Kilometer fast immer nur geradeaus.

    T. unterrichtet an diesem Tag Yoga und setzt mich zum Start in Seehof ab. Sie sammelt mich am Ziel in Moorende auch wieder ein – was für ein Service. Dazwischen habe ich auf den letzten Kilometern viel Zeit, dass mir Folgendes noch einmal ganz bewusst wird.

    Ich hab echt verdammt viel Glück, dass ich solche Sachen machen kann.

    Und dann: War’s das. Der Deckel ist drauf. Und die Wehmut? Weicht schnell einem Gefühl von großer und wohliger Zufriedenheit.

    So sieht zufrieden aus

    Ich habe auch dieses Mal wieder viele (unvorhergesehene) Dinge und Geschichten erlebt.

    Mein Negativ-Highlight: Ich wurde auf einer meiner Touren um 1 Haar von 2 echt aggressiven Hunden gebissen. Die viel zu lange Leine stoppte eher zufällig ihre, mit gefletschten Zähnen und wirklich bösem Bellen unterstrichenen Sprünge buchstäblich nur eine handbreit von mir entfernt. Zum Glück mag ich Hunde (trotzdem) und war ihnen nicht böse. Ganz im Gegensatz zu den Haltern, deren völlig leere und teilnahmslosen Blicke eigentlich die perfekte Antwort auf meine dann nicht mehr gestellte Frage waren, ob sie eigentlich noch ganz dicht seien.

    Mein Positiv-Highlight: Eindeutig meine Vollgas-Tour quer durch die Apfelplantagen. Der Boden war voller Löcher, Steine und Pfützen und vom Wetter immernoch modderig. Und trotzdem rannte ich einfach mit jedem Kilometer schneller als den Kilometer zuvor. Ich musste mich auf jeden Schritt konzentrieren und gleichzeitig nicht nachdenken. Der Körper wusste einfach, was er zu tun hatte und mein Kopf war total frei. Am Ende lief ich die letzten beiden Kilometer bis auf die Zehntelsekunde gleich – ohne auf die Uhr geschaut zu haben. Das hat schon echt richtig Bock gebracht.

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